Preisexplosionen in Pflegeheimen: „Ein Pullover mehr kann doch hier keine Lösung sein!“ – Träger stehen „mit dem Rücken zur Wand“ / Diakonie fordert „Entlastungspaket“

19.08.2022

Tanken, essen, heizen – praktisch alles wird derzeit immer teurer. Das merken alle beim Blick auf Kassenzettel, Abrechnungen und Kontostand. Auch die Diakonie Leipziger Land ist davon betroffen, allerdings viel drastischer als ein Privathaushalt. Es sind vor allem die Preisexplosionen beim Gas, die Geschäftsführer Harald Bieling umtreiben: In den sieben Altenpflegeheimen, die zum Diakonie-Verbund gehören, ist das Heizen vier- bis fünfmal so teuer wie vor einem Jahr. „Für manche Einrichtung ergeben sich allein damit Mehrkosten von mehr als 100.000 Euro jährlich“, rechnet Harald Bieling vor. Nun kämen auch noch die Gasumlage und -nachzahlungen obendrauf sowie explodierende Preise für Strom, Lebensmittel, Kraftstoff und Dienstleistungen aller Art.

Geldscheine hinter Gasflamme

Das Problem: Die Diakonie bleibt bisher auf einem Großteil der Mehrausgaben sitzen. Die Kosten in den Altenheimen werden zwar von den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Zuschüssen von Pflegekassen und Sozialhilfeträgern getragen – allerdings immer nur in einer bestimmten, im Vorfeld festgelegten Höhe. Was aufgrund aktueller politischer Entscheidungen wie angesichts des Ukraine-Krieg darüber hinaus geht, muss der Träger zunächst selbst stemmen. Dabei kann er – im Gegensatz zu einem Wirtschaftsunternehmen – nicht auf größere Rücklagen zugreifen oder mal eben sofort die Preise erhöhen, was auch nicht im Sinne der Betreuten wäre. In der Regel sind erst in der nächsten Verhandlungsrunde mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern wieder neue Sätze möglich – zumindest theoretisch. Bei den derzeit laufenden Pflegesatzverhandlungen hätte es in Bezug auf die dramatisch gestiegenen Kosten nur sehr verhaltenes Entgegenkommen gegeben, berichtet Harald Bieling.

„Für pflegebedürftige und behinderte Menschen darf die Rationierung von Gas nicht zur Debatte stehen.“

Der Geschäftsführer ist deshalb in großer Sorge. Waren es noch vor ein, zwei Jahren die Corona-Inzidenzen, die er täglich beobachtet hat, sind es nun die aktuellen Gaspreise. In all den Diskussionen über Entlastungen vermisst er einen Bereich bisher fast völlig: gemeinnützige Träger, die Pflegeheime, Kliniken und andere systemrelevante Einrichtungen betreiben, die für alle erschwinglich bleiben sollen. „Viele stehen mit dem Rücken zur Wand, hier ist die Bundespolitik gefragt“, so Harald Bieling. „Nur mit Entlastungspaketen für die Heimträger und einem neuen Finanzierungssystem für die Pflege kann verhindert werden, dass die Kosten sowohl für uns wie auch für die Bewohnerinnen und Bewohner massiv weiter steigen und immer mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind.“ Seine zweite Forderung an die Politik betrifft die Versorgungssicherheit. „Für pflegebedürftige und behinderte Menschen darf die Rationierung von Gas nicht zur Debatte stehen. Ein Pullover mehr kann doch hier keine Lösung sein!“

Natürlich prüft die Diakonie Leipziger Land, wie Kostensteigerungen reduziert werden können, zum Beispiel durch Sparmaßnahmen, mögliche Anbieterwechsel oder technische Lösungen. Die Entwicklungen bezüglich der Ukraine und an den Energiebörsen kann der Träger aber natürlich nicht voraussehen und erst recht nicht beeinflussen. „Vieles haben wir nicht in der Hand“, so Harald Bieling, der trotz allem keine Panik verbreiten will. Sein Weg, mit der Krise umzugehen: einen kühlen Kopf bewahren und ruhig bleiben, aber gleichzeitig alles tun, was möglich ist. „Schließlich geht es in erster Linie um die Menschen, für die wir da sind: unsere Bewohnerinnen und Bewohner sowie Beschäftigten.“