„Vorzimmerlöwin“ und Kummerkasten: „Es gibt fast nichts, was ich nicht gemacht habe“ – Carsta Wagner, langjährige Assistentin der Geschäftsführung, im Interview

Bei rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind Eintritte in den Ruhestand nichts Ungewöhnliches. In unserer Rubrik „Wir gratulieren“ nennen wir deren Namen und bedanken uns für das Engagement. Bei der Verabschiedung von Carsta Wagner allerdings sei eine Ausnahme und ein wenig mehr Raum in unserem Rundbrief gestattet – wie auch eine große Verabschiedungsfeier, die im Sommer stattgefunden hat. Carsta Wagner hat fünf Geschäftsführer erlebt und ist mit der Geschäftsstelle viermal umgezogen. Das Diakonische Werk wechselte währenddessen viermal seinen Namen wie auch den Geschäftsführer, als dessen Assistenz Carsta Wagner von 1992 bis 2023 gearbeitet hat. Praktisch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zahlreiche Mitglieder und Hilfesuchende kannten ihr Gesicht und ihre freundliche Telefonstimme. Auch jetzt, im wohlverdienten Ruhestand, besteht noch eine enge Verbindung: Sie begleitet als Mitglied des Verwaltungsrats das Werk, das sie wie ihre Westentasche kennt.

Verabschiedung Carsta Wagner

Diakonie: Wie hat eigentlich alles angefangen?

Bei einer Fortbildung hatte ich eine ehemalige Parteisekretärin kennengelernt. Sie wusste, dass ich Christin bin, und erzählte mir, dass die Diakonie in Wurzen jemanden für die Buchhaltung sucht, die bis dahin noch per Hand erledigt wurde. Ich habe dann dort im Rahmen einer ABM angefangen und war mächtig stolz auf die erste gelungene Abrechnung am PC.

Ein paar Jahre nach der Wende war damals sicher noch mehr im Umbruch.

1994 gab es die erste Fusion mit dem Diakonischen Werk in Grimma. Die wirtschaftliche Situation war schwierig. Ein Berater aus Kassel nahm das gesamte Werk unter die Lupe. Als meine ABM 1994 auslief, fragte er mich, ob ich nicht mit nach Grimma kommen möchte. In der Colditzer Straße habe ich dann per Phonodiktat mit Kopfhörer und Kassetten Schriftstücke des Sanierers aufgesetzt. Zudem standen in der Küche drei große, geflochtene Wäschekörbe voller Bauakten und loser Blätter, die es zu sortieren galt. Ich war dann schnell in die Vorstandsarbeit involviert, habe Protokolle geschrieben und Sitzungen vorbereitet. Ohne Beamer und andere Hilfsmittel war das wesentlich aufwändiger als heute. Die anderen haben oft gebangt: „Hoffentlich kriegt sie jetzt ihren Bus noch.“

An der Telefonzentrale hatten Sie sicher mit allen möglichen Anliegen und Charakteren zu tun …

Manche wollten einfach nur ihr Herz ausschütten. Ich war in meiner Anfangszeit in Wurzen nicht nur in der Buchhaltung, sondern auch „Vorzimmerlöwin“ in der Schuldnerberatung. Diese Zeit war prägend und lehrreich. Wenn jemand weinend anruft, weil er nichts zu essen hat, bekommt man einen anderen Blick auf Menschen. Für andere da sein, Hilfe zur Selbsthilfe leisten und trotzdem einen gesunden Abstand wahren, dass muss man lernen. Wir hatten in der Geschäftsstelle lange auch Notwohnungen. Einmal brachte die Polizei am 23. Dezember eine junge Frau mit Baby, die von ihrem Mann misshandelt worden war. Ich bin dann mit ihr erstmal einkaufen gegangen. Solche Situationen gab es bevorzugt zu Zeiten, an denen „Carsta allein zu Haus“ war (schmunzelt). Wenn jemand brüllend fordert, den Geschäftsführer sofort zu sprechen, dann ist das Wichtigste, erstmal Ruhe reinzubringen. Manchmal muss man ein Gespräch auch mal höflich, aber bestimmt beenden und mitunter hilft nur Humor.

Was gehörte neben der Büroarbeit über die Jahre alles zu Ihren Aufgaben?

Ich war lange die Ansprechpartnerin für das Pflegetelefon, habe 2003 die Notfallseelsorge mit aufgebaut und war viele Jahre deren Koordinatorin. Die ersten Flyer, Möbel-Bestellungen, die Installation der Schließanlage, die Bestellung von Druckern für alle Einrichtungen, die Vermietung in unseren Wohnobjekten, GEZ- und Gema-Gebühren, der Umzug von Tresoren, die Koordination des Umbaus der heutigen Geschäftsstelle, zeitweise auch Versicherungen … – alles Mögliche ging über meinen Tisch und es gibt fast nichts, was ich nicht gemacht habe.

Das ausführliche Interview mit Carsta Wagner erscheint in unserer Chronik.