„Ein gutes Wort ist nie umsonst“: Hospizhelferin Katharina Kühnel im Interview

05.03.2024

Katharina Kühnel beim Einsatz als Hospizhelferin

Wenn Katharina Kühnel ein Zimmer im Altenpflegeheim betritt, schaltet sie meist erst einmal den Fernseher aus. Sie singt lieber selbst. Die freundliche Frau strahlt Ruhe und Güte aus. Katharina Kühnel verschenkt Zuwendung aus einem großen Herzen und gehört zu den treuesten Hospizhelferinnen: Seit 2007 hat sie ungefähr 40 Menschen auf ihrer letzten Wegstrecke begleitet. Im Interview erzählt die studierte Kirchenmusikerin von ihrem unspektakulären, aber doch so wertvollen Dienst. Ob an der Kaffeetafel oder auf dem Sterbebett: Überall teilt die Brandiserin ihre Freude, ihren Glauben und ihr Leben mit anderen.

Diakonie Leipziger Land: Frau Kühnel, wie sind Sie zum Hospizdienst gekommen?

Katharina Kühnel: Als im Jahr 2003 meine Eltern starben, wurde mir deutlich, wie wichtig ganz simple Besuche in diesem Abschnitt sind. So können sie erleben, dass sie nicht vergessen sind. Ich habe Zeit zu verschenken und bin grundsätzlich gern für andere da. Als ich in der Zeitung las, dass neue Hospizhelfer gesucht werden, musste ich nicht lange überlegen.

Wie sieht Ihr Einsatz ganz praktisch aus?

Eigentlich ziemlich unspektakulär. Ich setze mich ans Bett und vermittle: Ich bin da und ich bleibe da, nehme die Hand, streichle sie ein wenig und erzähle ihnen, welche Blumen gerade blühen oder dass der Schnee nun schon wieder getaut ist. Wenn jemand reden möchte, versuche ich, eine aufmerksame Zuhörerin zu sein. Ich habe immer ein Gesangbuch dabei, denn diese Generation kennt noch alte Volkslieder und es ist ein Unterschied, ob die Stimme aus der Konserve ertönt oder „echt“ ist.

In der letzten Lebensphase oder wenn Menschen hochgradig dement sind, kommt oft wenig zurück. Wie gehen Sie damit um?

Ich denke, dass es grundsätzlich wichtig ist, nach seinen Überzeugungen zu leben – unabhängig von der Reaktion anderer. Manche Menschen liegen Jahre da und starren an die Decke. Ihnen ein paar schöne Augenblicke und ein wenig Zuwendung zu schenken, ist so wertvoll. Was ihnen guttut, sagt das Bauchgefühl. Manchmal bin ich einfach nur da. Wenn wir Wärme aus unserem Herzen geben, kommt etwas an, ob wir das spüren oder nicht. Ich gehe immer davon aus, dass die Menschen hören, was ich ihnen sage. Ein gutes Wort ist nie umsonst.

Man freut sich dann bestimmt auch über ganz kleine Gesten, oder?

Ich habe einmal eine Frau besucht, die nicht mehr sprach, aber ihre Augen leuchteten jedes Mal mehr, wenn ich das Zimmer betrat. Ich versuche, mich nicht entmutigen zu lassen, auch wenn mir – was ganz selten vorkommt – zunächst sogar Abwehr entgegenschlägt. Einmal begrüßte mich ein Ehepaar sehr schroff, weil ich mich vermeintlich verspätet hatte. Zu den beiden entwickelte sich schließlich eine herzliche Freundschaft, die zehn Jahre lang hielt. Es lohnt sich dranzubleiben! Wir arbeiten außerdem im Team, der Austausch hilft sehr.

Bei Ihren Einsätzen werden Sie immer wieder mit dem Tod konfrontiert, in der Gesellschaft oft ein Tabu-Thema.

Für mich gehören Geburt und Tod zusammen. Wenn jemand stirbt, ist das jedes Mal sehr berührend und gravierend, für die Angehörigen natürlich meist auch schmerzlich. Sterbende selbst, zumindest Hochbetagte, sind allerdings oft wirklich bereit, loszulassen. Wichtig ist doch zu wissen, wohin man geht. Als gläubiger Mensch verstehe ich den Tod als Heimkommen. Meinen Dienst sehe ich auch als Aufgabe, Menschen durch das Tor in die Ewigkeit zu begleiten. Ich freue mich auf den Himmel und deshalb ist der Tod für mich nichts Schreckliches.

In welcher Form prägt der christliche Glaube Ihren Dienst noch?

Ich biete immer an, für Menschen zu beten und sie zu segnen. Manche sagen dann: „Ach, warum eigentlich nicht.“ Auf der letzten Wegstrecke sind viele offen für die grundlegenden Lebensfragen. Ich habe in 17 Jahren nur ein einziges Mal erlebt, dass jemand nicht für sich beten lassen wollte. Der Glaube ist ein gutes Fundament für meinen Dienst. Gott beschenkt mich jeden Tag mit so viel unverdienter Liebe und Fürsorge, dass ich das einfach weitergeben muss, und zwar überall, wo ich mit Menschen zusammenkomme: in meiner Familie, meiner Nachbarschaft und auch im Hospizdienst. Sonst würde ich platzen! Meine Freude, meine Dankbarkeit und mein Leben teile ich gern mit anderen: ob ich nun mit einer Freundin am Kaffeetisch sitze oder am Sterbebett.