Weinend und lachend ins Leben zurückfinden: Trauercafé in Grimma sucht ehrenamtliche Verstärkung
12.11.25
Nachdem ihr Verlobter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, hörte Lisa Pietsch vom Trauercafé in Grimma. Die freundliche Frau mit dem sympathischen Lächeln hatte sofort dieses Klischee im Kopf von weinenden, älteren Witwen. „Bin ich mit meinen 27 Jahren hier wirklich richtig?“, fragte sie sich. Aber weil ihr Trauerbegleitung und Austausch am meisten geholfen hatten, nahm sie nach ihrer Ausbildung zur Trauerbegleiterin Kontakt zum damaligen Leitungsteam auf, das Unterstützung suchte. Seit knapp drei Jahren leitet sie die Gruppe unter dem Dach der Diakonie Leipziger Land und sucht nun Verstärkung, denn die Nachfrage ist groß. Im Interview spricht die psychologische Beraterin über das Weitergehen mit Tränen, Dankbarkeit angesichts des Todes und warum auch in tiefer Trauer gelacht werden kann.
Diakonie Leipziger Land: Frau Pietsch, wie zutreffend ist das eingangs genannte Klischee?
Lisa Pietsch: Es trifft nur insofern zu, dass es immer noch mehr Frauen gibt, die offen über ihre Gefühle wie auch über ihre Trauer reden wollen. Zudem ist es ja statistisch so, dass Frauen älter werden und deren Männer somit oft vor ihnen versterben. In unserem Trauercafé ist von diesem Klischee allerdings nicht viel zu spüren. Hier geht es nicht um Alter, Geschlecht oder Verlustart, sondern um Verbundenheit und Menschlichkeit. Das Schwere und der überwältigende Schmerz nach dem Verlust eines geliebten Menschen sollen hier natürlich den Raum finden, den es anderswo nicht gibt. Aber inzwischen sinkt der Altersdurchschnitt und es kommen auch Männer, verwaiste Eltern und Geschwister sowie Hinterbliebene nach Elternverlust oder auch Suizid.

Wie läuft ein Treffen ab?
Austausch hat selbstverständlich seinen Platz, aber wir sind mehr als eine Kaffeerunde. Wir beschäftigen uns z. B. mit ganz pragmatischen Fragen: Wann ist es Zeit, den Schrank auszuräumen? Wann darf ich mich neu verlieben? Bin ich immer noch Mama, auch wenn mein Kind nicht mehr lebt? Es geht auch um den großen Kontrollverlust angesichts des Todes, der so schwer zu akzeptieren ist. Wertvoll ist auch Erinnerungsarbeit, bei der sich der Blick weitet über den schweren Unfall oder den Krebs hinaus auf das lange Leben des Angehörigen. Manche waren 40 Jahre verheiratet und wenn ich die Hinterbliebenen dann ermutige, von dem oder der Verstorbenen zu erzählen, tut ihnen das richtig gut.
Es geht also nicht nur um Tod und Sterben.
Nein, bei Weitem nicht. Es gibt zudem oft einen Kreativpart. Wir haben schon Laternen und Kerzenhalter gestaltet, die Licht in die Dunkelheit bringen, oder Trauertagebücher. Bei uns wird geweint, aber auch gelacht. Wir wollen den Betroffenen etwas Leichtigkeit mitgeben, denn sie haben es schwer genug.
Was hilft den Betroffenen?
Wenn sie z. B. hören, dass die anderen auch jeden Tag heulen oder auf dem Sofa schlafen, haben sie ein Aha-Erlebnis: Das ist ja völlig normal und nicht nur mir geht es so! Der Austausch ist für alle Beteiligten wertvoll und hilfreich.
Was berührt Sie bei Ihrer Arbeit am meisten?
Bei vielen ist noch immer so viel Liebe da. Wir hatten hier z. B. einen Mann, der seinen Garten hegt und pflegt und Blumen ans Grab seiner Frau bringt, damit sie auch etwas davon hat. Natürlich ist der Verlust dann auch besonders schmerzhaft. Aber wenn irgendwann die Dankbarkeit anklopft und mit in den Raum darf, ist viel gewonnen. Ich erinnere mich auch gut an eine Frau, die innerhalb von nur zwei Monaten ihren Mann und ihre Eltern verloren hatte. Sie saß neben mir und hat eigentlich immer geweint, aber ist mit ihren Tränen trotzdem weiter gegangen.
Wie kann man mit dem Trauercafé in Kontakt kommen?
Interessierte sollen sich vorab unbedingt bei mir melden. Wir klären dann erst einmal, wo die Person steht und ob das Trauercafé das Richtige ist. Natürlich wollen wir niederschwellig und offen für alle sein, aber manchmal ist eine Therapie o. Ä. zusätzlich angezeigt. Und auch wenn die Trauer oft für immer anhält, verstehen wir uns als zeitlich begrenztes Angebot, als Hilfe zur Selbsthilfe, um wieder ins Leben zu finden. Deshalb ist es so schön, wenn Betroffene nach einer Weile dankbar sagen: „Ich habe viel mitgenommen, aber jetzt ziehe ich weiter.“
Der Tod wird meist verdrängt und war lange ein Tabu-Thema. Wie erleben Sie dies?
Noch immer redet niemand wirklich gern darüber, aber ich habe schon den Eindruck, dass die Gesellschaft offener wird. Gerade Jüngere scheuen sich nicht, Dinge aufzuarbeiten. Reden hilft! Das lernen die Menschen gerade. Und wenn man sich mit dem Tod auseinandersetzt und erkennt, dass man nur dieses eine Leben hat, kann das helfen, dankbarer zu werden. Und sich auf das zu fokussieren, worauf es wirklich ankommt. Wir erleben auch, dass die Bestattungskultur und lange gültige Regeln offener werden. Wer ein Jahr lang schwarz tragen möchte und wem dies hilft, darf das natürlich so handhaben. Es sollte sich aber niemand dazu verpflichtet fühlen.
Sie suchen ehrenamtliche Unterstützung. Wie kann man sich diese Aufgabe vorstellen?
Bis jetzt findet das Trauercafé nur einmal im Monat statt, mit einer weiteren Person wäre ein zweites Treffen möglich. Wir brauchen Hilfe nicht nur zum Kaffee-Kochen und Stühle-Räumen, sondern vor allem auch für die inhaltliche Vorbereitung, die Koordination von Anfragen und Verwaltungsaufgaben. Die Person sollte Zeit im Umfang von ca. 10 Stunden im Monat zu verschenken haben, empathisch und am Thema interessiert sein. Persönliche Betroffenheit ist aber nicht zwingend nötig. Wir können auch eine Ausbildung in der ehrenamtlichen Trauerbegleitung organisieren.


