„Mein Herz schlägt auch diakonisch“: Thomas Piehler beginnt missionarische Pfarrstelle bei der Diakonie Leipziger Land
20.01.24
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen den Auftraggeber für christliche Nächstenliebe – Jesus Christus – besser kennenlernen. Das ist das Ziel der Arbeit von Tobias Jahn, dem Geistlichen Leiter bei der Diakonie Leipziger Land. Bei dieser schwierigen, aber wichtigen und schönen Aufgabe wird er seit Januar von Thomas Piehler unterstützt, der an der Seite von Jahn eine M-25-Pfarrstelle angetreten hat und kürzlich dafür eingesegnet wurde. Im Interview erzählt das frischgebackene Duo von missionarischen Aufbrüchen, offenen Räumen und der Erfüllung eines Traums.

Diakonie Leipziger Land: In jedem Kirchenbezirk der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens starten ab 2025 vier missionarische Pfarrstellen (M25) mit einem Stellenumfang von je 50 Prozent. Welche Idee steckt dahinter?
Tobias Jahn (T. J., auf dem Foto links): Unsere Kirche befindet sich in einem dramatischen Veränderungsprozess, bedingt z. B. durch Säkularisierung und demografische Trends. Wir brauchen deshalb dringend neue Formen und frische Wege, wie der Glaube Menschen erreichen kann. Die Diakonie kann hier Brücken bauen! Wir haben da bereits viel Gutes erlebt, wenn etwa Taufen oder Familiengottesdienste in unseren Kindergärten gefeiert werden. Mit niedrigen Schwellen und offenen Räumen sprechen wir hier auch Menschen an, die derlei Veranstaltungen kaum besuchen würden, wenn sie klassisch in der Kirche stattfinden.
Auch nach innen gibt es viel Missionsarbeit zu tun. Der Anteil der Christinnen und Christen unter der Mitarbeiterschaft liegt mit knapp 40 Prozent zwar deutlich über der Quote im Landkreis mit etwa 12 Prozent. Aber viele dürften über ihre Arbeitgeberin das erste Mal in Kontakt mit dem christlichen Glauben kommen.
T. J.: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen spüren, dass sie für ein kirchliches Unternehmen arbeiten, und im besten Fall wissen, was das bedeutet. Gemeinsam geistliches Leben ermöglichen, Ermutigung zusprechen, das Evangelium, also die Frohe Botschaft, weitersagen und Menschen dazu sprachfähig machen – dafür bieten wir u. a. Andachten an, einen Diakonischen Hauskreis, Fortbildungen, Tankstellentage, Einführungskurse oder gemeinsames Pilgern – das prägt Menschen, die dann wieder auf andere und damit die Diakonie wirken. Wir werden nun dank der missionarischen Pfarrstelle die geistliche Arbeit stärken und das Angebot erweitern können.

Welche konkreten Projekte sind geplant?
Thomas Piehler (T. P., auf dem Foto rechts): Künftig wird es mehr Diakonie-Gottesdienste geben – sechs pro Jahr – und neue Seminare, zum Beispiel zum Thema „hörendes Gebet“. Sehr am Herzen liegen mir Glaubensgrundkurse, die auch Menschen ansprechen sollen, die schon länger in der Kirche unterwegs sind. Hier laden wir zum Beispiel ein, einen Brief an Jesus zu schreiben. Natürlich biete ich auch Seelsorge an.
Vieles wird sich sicher erst „im Tun“ entwickeln …
T. P.: Wir haben viele Ideen, wollen aber zu Anfang nicht gleich ein festes, fertiges Programm entwickeln. Es braucht Zeit, die Menschen kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen, nachzudenken sowie zuzuhören und im Wandern mit ihnen zu sehen, was sie brauchen.
T. J.: Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Glauben kennengelernt haben und weitere Schritte gehen wollen, finden sie manchmal schwer Anschluss an ihre Kirche vor Ort. Vielleicht entwickeln sich hier auch spezielle Diakonie-Gemeinden, wie es sie zum Beispiel bei der Berliner Stadtmission gleich sechs Mal gibt. Wir sind offen für vieles.
Der Titel der Stelle ist „Unternehmerisch Kirche sein“. Was hat es damit auf sich?
T. J.: Es geht dabei um die Verknüpfung von Glauben, Sozialem und Unternehmen, die von Anfang an Teil der diakonischen DNA ist. Wie damals die Gründerväter und -mütter der Diakonie leben wir bis heute christlichen Glauben, leisten soziale Arbeit und denken dabei unternehmerisch.
Herr Piehler, Sie waren rund 30 Jahre Pfarrer in der Ev.-Luth. Andreaskirchgemeinde Leipzig. Hier haben Sie ebenfalls missionarische Aufbrüche erlebt.
T. P.: Mit kreativen Gottesdiensten und Formen konnten wir hier tatsächlich Menschen erreichen, die mit Kirche nichts zu tun hatten. Eine wichtige Rolle haben dabei die Glaubensgrundkurse gespielt, eine neue Spendenkultur und die Abwendung von der Pfarrer-Zentrierung: Wir haben 100 Ehrenamtliche ausgebildet, die Bereichen eigenverantwortlich vorstanden, und vier bis fünf Lobpreisbands aufgebaut. Über die Jahre ist die Zahl der Menschen, die zum Gottesdienst kamen, von rund 50 auf 250 gewachsen. Dass sich die Gemeinde so entwickelt hat, ist ein besonderes Geschenk, genauso wie der Start des ökumenischen Zentrums „Pavillon der Hoffnung“ auf dem alten Messegelände.
Was hatten Sie bisher für einen Bezug zur Diakonie?
T. P.: Ein zentraler Bibeltext ist für mich das Gleichnis vom großen Festmahl, bei dem es um die Einladung von Menschen geht, die am Rand der Gesellschaft stehen. In diesem Sinn haben wir in der Andreasgemeinde „Weihnachten für das Volk“ gestartet: Es gibt dabei am Heiligabend eine klassische Christvesper, aber danach haben wir uns der Welt draußen zugewendet und gemeinsam gefeiert: mit Geschenken, Festessen und Verkündigung. Anfangs war es ein Wagnis, aber inzwischen läuft das Projekt seit 20 Jahren mit jeweils bis zu 500 Gästen. Es ist mir ganz wichtig, Menschen zu sehen, denen es nicht so gut geht wie uns. Mein Herz schlägt auch diakonisch und für die, die noch auf dem Weg zum Glauben sind. Ich freue mich sehr darüber, dass die Kirche so eine Wendung hin zum Missionarischen macht. Damit hätte ich nicht gerechnet, aber die Not ermutigt zu neuen Ideen. Dass ich neben meiner halben Pfarrstelle in der Emmaus-Kirchgemeinde Bornaer Land verstärkt missionarisch aktiv werden kann – damit geht für mich ein Traum in Erfüllung.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start und Gottes Segen für Ihre Arbeit!