Menschen in schlimmsten Krisen wieder aufrichten: Mike Runge ist neuer Koordinator der Notfallseelsorge

26.09.24

An der Spitze der Notfallseelsorge gibt es einen Wechsel: Neuer Koordinator des Kriseninterventionsteams der Diakonie Leipziger Land ist Mike Runge, der damit Birgit Stemmler ablöst. Wir sprachen mit dem erfahrenen Ehrenamtlichen und Servicemonteur über die Frage nach dem Warum, seine Einsatzjacke als „zweite Haut“ und was ihm sein Dienst als „Ersthelfer für die Seele“ zurückgibt.

Diakonie Leipziger Land: Herr Runge, Sie engagieren sich seit 2017 bei der Notfallseelsorge. Wie kommt man zu solch einer herausfordernden Aufgabe?

Mike Runge: Ich habe ein Ehrenamt gesucht und dann in der Zeitung einen Bericht über das Kriseninterventionsteam gelesen, der mich inspiriert hat. Das könnte etwas für mich sein, habe ich gedacht.

Wie ging es dann weiter?

Nach Gesprächen und einer Schulung hatte ich bereits zwei Monate später meinen ersten Einsatz, der sehr aufregend war. Dem folgten bis heute bestimmt rund 60 weitere. Ich wurde vor allem zu schweren Unfällen, Suiziden oder plötzlichen Todesfällen im häuslichen Bereich gerufen. Auch das Überbringen von Todesnachrichten gemeinsam mit der Polizei gehörte dazu.

Notfallseelsorger legt tröstend Hand auf die Schulter

Zu den praktischen Einsätzen in der Notfallseelsorge kommt nun noch deren Koordination. Was zählt alles zu Ihren neuen Aufgaben?

Ich führe unter anderem Erstgespräche mit interessierten Freiwilligen, bin Ansprechpartner für unsere Ehrenamtlichen, für Feuerwehr und Polizei sowie verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Zudem unterstütze ich das OrgL-Team, halte den Kontakt zum Beispiel zu Feuerwehr, Rettungsdiensten, Katastrophenschutz, Verbänden, Ämtern und der ev.-luth. Landeskirche.

In der Notfallseelsorge geht es darum, den ersten Schmerz der Angehörigen aufzufangen, die oft unter Schock stehen und vielleicht die schlimmste Krise ihres Lebens erleben. Wie hilft man diesen Menschen am besten?

Das Wichtigste ist, da zu sein und zuzuhören. Oft steht die Frage nach dem Warum im Raum, die zu beantworten sehr schwerfällt. Meine Aufgabe ist es, die Menschen wieder aufzurichten und zu stärken, damit sie die nächsten Schritte gehen können.

Was hilft Ihnen selbst dabei, mit diesen schlimmen Situationen umzugehen?

Spazierengehen und Musik hören. Ich kann ganz gut loslassen und runterkommen. Wenn ich zurückfahre, mache ich ganz bewusst die Autotür zu und dann entfernt sich der Einsatzort immer weiter. Hilfreich ist auch der Zusammenhalt im Team: Im Hintergrund ist immer jemand, mit dem ich über meine Einsätze reden kann und der weiß, worum es geht. Aller acht Wochen haben wir zudem Supervision und Fallbesprechung. Zudem ist meine Einsatzjacke wie eine zweite Haut, die mich davor schützt, die Dinge zu nah an mich heranzulassen.

Was gibt Ihnen Ihr Einsatz selbst?

Wenn Menschen in dieser schweren Situation ein tiefes Dankeschön in den Augen steht, tut das einfach gut. Dann weiß ich, dass ich etwas sehr Sinnvolles mache.

Gab es schon Einsätze, bei denen Sie an Grenzen kamen?

Man blickt manchmal wirklich in Abgründe. Am schwierigsten ist es, wenn Kinder involviert sind. Das nimmt jeden mit, passiert aber zum Glück selten. Wenn man an der Tür klingelt, weiß man nie, was einen gleich erwartet. Trotz allem Schweren habe ich auch viele schöne Momente, wenn man zum Beispiel starken Familienzusammenhalt oder Dankbarkeit erlebt.