„Ich wollte etwas tun, was wirklich zählt“: Neue Hospizhelferin hält trotz Lockdown Kontakt / Weitere Freiwillige gesucht

26.04.21

Bärbel Polster hat kein leichtes Ehrenamt. Als frisch ausgebildete Hospizhelferin begleitet sie Schwerkranke, Sterbende und ihre Angehörigen. Wir sprachen mit der Großbothenerin über Hospizarbeit als Lebensschule, wie sie trotz Besuchsstopp Kontakt zu alten Menschen hielt und was sie für ihr Engagement zurückbekommt.

Frau Polster, wie kamen Sie zum Hospizdienst?

Es hat mich schon länger gereizt. Ich wollte gern etwas tun, was wirklich zählt. Aber mein Tag ist gut gefüllt und ich habe den Einstieg beim Hospizdienst ehrlich gesagt immer wieder aufgeschoben. Als ich dann wieder einen Flyer davon in der Hand hielt, habe ich zum Telefon gegriffen und einen Termin zum Kennenlernen vereinbart. Beiden Seiten ist dabei schnell klar geworden, dass es passt.

Hospizhelferin am Auto mit Narzissenstrauß

Im Februar 2020 haben Sie dann mit der Erstschulung zur Hospizhelferin begonnen. Wie haben Sie diese erlebt?

Die war sehr gut! Wir sind eine „dufte Truppe“ und ich hatte von Anfang an das Gefühl, dazuzugehören. Die Schulung ist sehr lebendig und nah dran an der Praxis. Man kann auch später immer wieder mit Fragen zu den Koordinatorinnen kommen. Als das Leben meines Vaters zu Ende ging, habe ich mir manchmal gewünscht, mehr „Handwerkszeug“ zu haben und den Prozess besser zu verstehen. Da bin ich jetzt gut gerüstet.

Haben Sie beim Thema Tod keine Berührungsängste?

Schon als Kind habe ich mit meinem kleinen Fahrrad Blumen zu den Gräbern der Großfamilie gebracht. Und meine Oma hat früher ganz offen darüber gesprochen, wie ihre Beerdigung ablaufen soll. Das war für mich immer normal und gehörte zum Leben dazu. Heute habe ich durch meine Arbeit bei der Kirchgemeinde auch mit der Friedhofsverwaltung und den Angehörigen von Verstorbenen zu tun. Mit dem Thema Krankheit und Tod tut sich unsere Gesellschaft schwer, aber irgendwann erreicht es uns doch alle.

Wie läuft für Sie die Arbeit als Hospizhelferin ab?

Mein Einsatzort ist das Diakonie-Altenpflegeheim in Colditz. Wenn ich dort eine Begleitung übernehme, habe ich mich schon vorher über die Person informiert. Ich sitze am Bett, halte die Hand, singe und lese vor oder wir schauen gemeinsam Bilder an. Manchmal hole ich auch einen Beutel hervor, in den wir dann gemeinsam eine Last reinpacken, die ich dann sozusagen mitnehme.

Sie sind gläubige Christin. Welche Rolle spielt dies bei Ihren Einsätzen?

Die Verbindung zu Gott hilft mir sehr. Wenn Menschen dafür offen sind, lasse ich sie gern daran teilhaben. Manchmal beten wir auch gemeinsam.

Der Start Ihres Einsatzes als Hospizhelferin fiel mitten in die Zeit des ersten Lockdowns, als die Altenpflegeheime für Besuche praktisch komplett geschlossen waren. Wie haben Sie dies erlebt?

Ich war noch bei einer Frau, der ich versprochen habe, am nächsten Tag wieder zu ihr zu kommen. Aber plötzlich ging das nicht mehr. Es war eine harte und traurige Zeit für alle Beteiligten. Viele, gerade Demente, haben ja gar nicht verstanden, warum sie plötzlich keinen Besuch mehr bekommen durften.

Aber Sie haben sich trotzdem etwas einfallen lassen, um Kontakt zu halten und die Menschen aufzumuntern.

Sie taten mir so leid und ich wollte etwas tun. Also habe ich Briefe geschrieben – 30 Stück per Hand, die die Hospizkoordinatorinnen dann in die Heime verteilt haben. Jetzt dürfen wir zum Glück wieder in die Häuser – mit negativem Schnelltest und medizinischem Mund-Nasen-Schutz.

Was geben Ihnen die Einsätze selbst?

Es kommt so viel Dankbarkeit zurück, das ist ein Geschenk. Ich habe schon erlebt, wie demente Menschen über das ganze Gesicht strahlen. Als Hospizhelferin komme ich zur Ruhe und fühle mich geerdet, zurückgesetzt auf Normalität. Für mich ist das eine Schule fürs Leben und ein guter Anlass, über das Leben nachzudenken und wie dessen Ende aussehen soll. Viele fühlen sich überfordert vom Thema Sterben und Tod, dabei muss das nichts Schlimmes sein. Wir können unseren Weg mit Gottes Begleitung gehen und sollten alle Stationen würdevoll gestalten.

Vielen Dank für das Gespräch und Ihr Engagement!

Für den Hospizdienst werden weitere Freiwillige gesucht. Informationen und Kontakt: Diakonie Leipziger Land, Ambulanter Hospizdienst, Leipziger Straße 42 (ehemaliges Gesundheitsamt), 04668 Grimma, Tel. 03437 9379510, , www.diakonie-leipziger-land.de