Geschichts-Doku an ungewöhnlichem Ort mit Zeitzeugen: Groitzscher Altenpflegeheim eröffnete Ausstellung zum 17. Juni

Der Garten des Groitzscher Altenpflegeheims „Katharina von Bora“ wurde neulich zur Open-Air-Galerie. Die Einrichtung der Diakonie Leipziger Land eröffnete hier eine Ausstellung mit dem Titel „17. Juni kompakt“ zum Volksaufstand in der DDR 1953. „Wir wollten mal etwas völlig anderes machen“, erklärte Heimleiterin Simone Zimmerling bei der Vernissage für die Wander-Schau, die vermutlich zum ersten Mal in einer Senioreneinrichtung Station macht. Der Landtagsabgeordnete Oliver Fritzsche hatte sie in seinen Wahlkreis geholt, wo sie bereits in der Stadt- und Schulbibliothek Groitzsch zu sehen war.

Zeitzeugen und Heimleiterin bei der Eröffnung der Ausstellung zum 17. Juni im Altenpflegeheim Groitzsch

Und hier wiederum wurde Andrea Nobis, die im „Katharina von Bora“ Betreuungsleiterin ist, auf sie aufmerksam. In der Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sah sie das Potenzial für Begegnung, Erinnerung und Wertschätzung. „Alte Menschen haben so viel zu geben“, sagte sie. „Wir sollten sie wie in anderen Kulturen verehren und ihnen höchsten Respekt entgegenbringen.“

Nach einem Zeitzeugen-Aufruf in der Heimzeitung war die Resonanz groß. Und so gab es bei der Vernissage nicht nur Info-Tafeln mit Schwarz-Weiß-Fotos, sondern als ganz besondere Zugabe einen Schatz, der in dieser Fülle wohl nur an einem Ort wie dem „Katharina von Bora“ gehoben werden kann: sehr lebendige und berührende Berichte von Bewohnerinnen und Bewohnern, die den 17. Juni live miterlebten. Zum Beispiel die 92-jährige Marianne Spieß, die damals in Oellschütz Polterabend feierte und dabei immer wieder „Besuch“ von Polizisten bekam. Hans-Dieter Schilling war selbst bei der Demo dabei. Er weiß noch genau, was auf den Transparenten stand: „Freiheit, Einigkeit, Brüderlichkeit!“ Alois Becker, damals 19 Jahre alt, wurde als Polizist Richtung Berlin geschickt. „Gott sei Dank“ habe er nicht schießen müssen. Oliver Fritzsche war von den Zeitzeugenberichten sehr berührt: „Der Aufstand entwickelte sich zu einem Flächenbrand und gilt als ein dramatisches Ereignis der deutschen Geschichte, das viele Menschen das Leben gekostet hat. Auch im Landkreis Leipzig gab es mehrere Todesopfer.“ Aus der Bella-Schuhfabrik sei heute noch ein Streikaufruf mit neun Forderungen erhalten.

Entlang der Schautaufeln im Garten entspannen sich weitere Gespräche auch mit Angehörigen, die zum nachfolgenden Grillabend eingeladen waren. Circa vier Wochen wird die Ausstellung, die das Team inzwischen ins Foyer verlegt hat, hier zu sehen sein. Das Haus in der Frédéric-Joliot-Curie-Straße 3 freut sich auf viele Interessierte.